Veröffentlicht am Mai 15, 2024

Die grösste Gefahr im Schweizer Strassenverkehr ist nicht die offensichtliche Regelübertretung, sondern das blinde Vertrauen in vermeintliche Sicherheiten.

  • Die meisten Unfälle passieren nicht auf der Autobahn, sondern in als sicher wahrgenommenen Tempo-30-Zonen und Wohnquartieren.
  • Fahrassistenzsysteme und Allradantrieb schaffen eine trügerische Sicherheit und ersetzen niemals die Kompetenz des Fahrers, besonders unter Schweizer Wetterbedingungen.
  • Ein systematischer Sicherheitsplan, der auf altersgerechter Kompetenzvermittlung und regelmässigen Checks beruht, ist wirksamer als jede Einzelmassnahme.

Empfehlung: Bauen Sie ein aktives Sicherheitsmanagement für Ihre Familie auf, statt sich passiv auf Technik und Vorschriften zu verlassen.

Als sicherheitsbewusster Elternteil in der Schweiz haben Sie wahrscheinlich bereits alles getan, um Ihre Familie zu schützen. Sie fahren ein modernes, sicheres Auto, haben in die besten Kindersitze investiert und halten sich penibel an die Geschwindigkeitsbegrenzungen in Ihrem Wohnquartier. Sie befolgen die gängigen Ratschläge: vorsichtig fahren, vorausschauend agieren und die Regeln beachten. Doch was, wenn genau dieses Gefühl der Sicherheit die grösste, verborgene Gefahr darstellt?

Die Realität im Schweizer Strassenverkehr ist kontraintuitiv. Die schwersten Risiken lauern nicht auf der unübersichtlichen Passstrasse oder bei hohem Tempo auf der Autobahn, sondern genau dort, wo wir uns am sichersten fühlen. Diese trügerische Sicherheit ist der eigentliche Gegner. Das Vertrauen in die Technik des Fahrzeugs, in die korrekte Nutzung der Sicherheitsausrüstung und in die vermeintlich sichere Umgebung führt zu einer unbewussten Nachlässigkeit, die fatale Folgen haben kann. Es ist an der Zeit, die gängigen Sicherheitsmythen zu hinterfragen und die Perspektive zu wechseln.

Dieser Leitfaden geht daher über die üblichen Platitüden hinaus. Stattdessen decken wir die Mechanismen hinter der trügerischen Sicherheit auf und zeigen Ihnen, wie Sie ein umfassendes, systemisches Sicherheitsdenken für Ihre Familie entwickeln. Es geht nicht darum, noch mehr Regeln zu befolgen, sondern darum, Risiken dort zu erkennen, wo sie niemand vermutet. Wir werden einen klaren Plan aufzeigen, wie Sie die Kompetenzen aller Familienmitglieder schärfen, die richtigen Prioritäten bei Sicherheitsinvestitionen setzen und sich auf die technologischen Veränderungen der Zukunft vorbereiten. So schaffen Sie eine wirklich resiliente Sicherheitskultur, die weit über das blosse Vertrauen in Technik hinausgeht.

Dieser Artikel führt Sie strukturiert durch die zentralen Aspekte der modernen Verkehrssicherheit für Familien in der Schweiz. Der nachfolgende Sommaire gibt Ihnen einen Überblick über die Themen, die wir behandeln werden, um Ihnen einen umfassenden und handlungsorientierten Schutzplan an die Hand zu geben.

Warum 60% der Verkehrsunfälle mit Kindern in vermeintlich sicheren Situationen passieren?

Die Vorstellung, dass hohe Geschwindigkeiten auf Autobahnen das Hauptrisiko darstellen, ist ein gefährlicher Trugschluss. Die Fakten zeichnen ein anderes Bild: Laut aktuellen Statistiken der BFU ereignen sich 60% aller schweren Verkehrsunfälle in der Schweiz innerorts. Gerade in Tempo-30-Zonen und Wohnquartieren, wo Kinder spielen und zu Fuss unterwegs sind, wiegt man sich in einer falschen Sicherheit, die die Risikowahrnehmung senkt und die Reaktionszeiten verlängert. Die vertraute Umgebung wird zur Gefahrenquelle, weil die Aufmerksamkeit nachlässt.

Kinder in einer Tempo-30-Zone in der Schweiz, die die latente Gefahr in vermeintlich sicheren Umgebungen darstellt.

Ein weiteres kritisches Beispiel für diese trügerische Sicherheit ist der Kindersitz. Eltern investieren in teure, geprüfte Modelle und glauben, das Maximum für die Sicherheit getan zu haben. Doch eine BFU-Studie enthüllt eine schockierende Wahrheit: Jedes zweite Kind ist im Auto falsch gesichert. Die Fehler sind vielfältig und reichen von einer falschen Montage des Sitzes über eine inkorrekte Gurtführung bis hin zur Wahl eines für das Kind unpassenden Modells. Hier ist nicht das Fehlen der Sicherheitsausrüstung das Problem, sondern deren fehlerhafte Anwendung – ein Versäumnis, das im Ernstfall katastrophale Folgen haben kann und direkt aus dem Glauben entsteht, man habe bereits alles richtig gemacht.

Diese Beispiele zeigen deutlich: Echte Sicherheit entsteht nicht durch die blosse Anwesenheit von Schutzmassnahmen, sondern durch deren korrekte und bewusste Anwendung sowie eine konstant hohe Risikowahrnehmung, selbst in den vertrautesten Situationen.

Wie schaffen Sie in 30 Tagen ein umfassendes Verkehrssicherheitssystem für Ihre Familie?

Einzelne Massnahmen greifen zu kurz. Wahre Sicherheit ist kein Produkt, das man kauft, sondern ein System, das man lebt. Ein solches System erfordert eine bewusste Planung und die Einbeziehung aller Familienmitglieder. Es geht darum, eine systemische Prävention zu etablieren, die technische, menschliche und organisatorische Aspekte kombiniert. Eine gemeinsame Erhebung von BFU und TCS zeigt, dass bei jedem dritten Kind schwere Fälle von falscher Nutzung des Kindersitzes vorkommen, wie zum Beispiel ein gefährlicher Halskontakt durch den Gurt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, über den reinen Kauf hinauszugehen und regelmässige Überprüfungen und Schulungen zur Routine zu machen.

Ein strukturierter Ansatz über 30 Tage kann dabei helfen, eine nachhaltige Sicherheitskultur in Ihrer Familie zu verankern. Anstatt alles auf einmal zu versuchen, konzentrieren Sie sich jede Woche auf einen spezifischen Bereich. Dies schafft Verbindlichkeit und sorgt dafür, dass die neuen Gewohnheiten langfristig beibehalten werden. Der folgende Plan dient als umsetzbare Vorlage, um alle wichtigen Aspekte abzudecken und Schwachstellen gezielt zu beheben.

Ihr 30-Tage-Plan für systemische Verkehrssicherheit

  1. Woche 1: Audit der Fahrzeugausrüstung: Überprüfen Sie alle Kindersitze auf ihre Konformität mit den aktuellen Normen (ECE-R44/04 oder die neuere R129 „i-Size“). Kontrollieren Sie die korrekte Installation, idealerweise über das Isofix-System, und die richtige Gurtführung bei jedem Kind. Stellen Sie sicher, dass Notfallausrüstung (Apotheke, Pannendreieck) vollständig und griffbereit ist.
  2. Woche 2: Schulung zu Ablenkungsrisiken: Führen Sie ein Familiengespräch über die Gefahren der Ablenkung am Steuer und als Fussgänger. Legen Sie klare Regeln für die Nutzung von Smartphones und anderen elektronischen Geräten im Auto und beim Überqueren der Strasse fest – das gilt für Eltern und Kinder gleichermassen.
  3. Woche 3: Sichere Routen und Pausenplanung: Analysieren Sie Ihre häufigsten Fahrstrecken, insbesondere den Schulweg, mithilfe von TCS-Verkehrsdaten. Identifizieren und besprechen Sie sichere Querungsstellen und alternative, verkehrsärmere Routen. Planen Sie für längere Fahrten sichere Pausenorte abseits der Hauptverkehrsachsen ein.
  4. Woche 4: Notfall-Simulation: Üben Sie das richtige Verhalten bei einer Panne oder einem Unfall. Besprechen Sie die korrekte Absicherung der Unfallstelle, die wichtigen Notrufnummern (Polizei 117, Ambulanz 144) und gehen Sie das Ausfüllen des europäischen Unfallprotokolls gedanklich durch.

Am Ende dieses Monats haben Sie nicht nur einzelne Sicherheitslücken geschlossen, sondern eine gemeinsame Basis des Wissens und der Verantwortung geschaffen, die Ihre Familie nachhaltig schützt.

Fahrsicherheitstraining, Notfallausrüstung oder Fahrzeugupgrade: Was erhöht die Sicherheit am meisten?

Als verantwortungsbewusster Elternteil stehen Sie oft vor der Frage, wo Sie Ihr Budget für Sicherheit am wirksamsten einsetzen. Ist es der Kauf von Premium-Winterreifen, die Investition in ein moderneres Fahrzeug mit mehr Assistenzsystemen oder doch ein praktisches Fahrsicherheitstraining? Die Antwort liegt in der Nachhaltigkeit der Massnahme. Während materielle Upgrades einen wichtigen Beitrag leisten, ist die Investition in die Kompetenz des Fahrers oft der entscheidende und langfristigste Hebel.

Die folgende Tabelle, basierend auf Angeboten wie jenen des Touring Club Schweiz (TCS), stellt die wichtigsten Optionen gegenüber und bewertet sie nach Kosten, unmittelbarem Sicherheitsgewinn und langfristiger Wirkung. Sie macht deutlich, dass die Fähigkeit, in kritischen Situationen korrekt zu reagieren, einen unschätzbaren und dauerhaften Wert hat.

Vergleich der Sicherheitsmassnahmen für Schweizer Autofahrer
Massnahme Kosten (ca. in CHF) Sicherheitsgewinn Nachhaltigkeit
TCS Winterfahrtraining 350–550 Sehr hoch Langfristig (Kompetenzerwerb)
Premium-Winterreifen (Satz) 800–1200 Hoch 3–4 Winter
Erweiterte Notfallausrüstung 150–300 Mittel Dauerhaft

Ein Fahrsicherheitstraining schult genau jene Fähigkeiten, die Assistenzsysteme nicht ersetzen können: die richtige Blicktechnik, das Antizipieren von Gefahren und das korrekte Reagieren bei einem plötzlichen Grip-Verlust auf Schnee oder Eis. Wie es TCS Training & Events treffend formuliert:

TCS steht seit Jahrzehnten für Fahrsicherheit, Qualität und Fahrspass. Unsere Instruktorinnen und Instruktoren vermitteln Wissen mit Leidenschaft: praxisnah, motivierend und mit dem nötigen Schuss Action.

– TCS Training & Events, TCS Winterfahrtraining Schweiz

Die beste Strategie ist oft eine Kombination: eine solide Grundausstattung des Fahrzeugs, ergänzt durch die regelmässige Auffrischung der eigenen Fahrkompetenzen. Denn am Ende ist der Mensch hinter dem Steuer immer noch der wichtigste Sicherheitsfaktor.

Die 4 verbreiteten Sicherheitsüberzeugungen, die Ihre Familie tatsächlich gefährden

Im Bereich der Verkehrssicherheit halten sich hartnäckig Mythen, die ein falsches Gefühl der Unverwundbarkeit vermitteln. Diese Überzeugungen sind besonders gefährlich, da sie zu risikoreicherem Verhalten verleiten. Es ist entscheidend, diese Mythen zu erkennen und durch Fakten zu ersetzen, um eine realistische Risikoeinschätzung zu gewährleisten.

Mythos 1: „Mein SUV mit Allradantrieb (4×4) meistert jeden Winter.“

Diese Annahme ist eine der gefährlichsten im Schweizer Winter. Ein Allradantrieb verbessert zwar die Traktion beim Anfahren auf Schnee und Matsch, hat aber nahezu keinen Einfluss auf den Bremsweg auf eisiger oder rutschiger Fahrbahn. Ein schwerer SUV kann aufgrund seiner Masse sogar einen längeren Bremsweg haben als ein leichteres Fahrzeug. Die Physik lässt sich nicht überlisten: Wer auf die Bremsleistung vertraut, die er vom Anfahren gewohnt ist, erlebt eine böse Überraschung.

Ein SUV auf einer verschneiten Schweizer Bergstrasse, der den Mythos der Unbesiegbarkeit durch Allradantrieb symbolisiert.

Mythos 2: „Moderne Assistenzsysteme schützen mich vollständig.“

Notbremsassistenten, Spurhalteassistenten und adaptive Tempomaten sind wertvolle Hilfsmittel, aber keine unfehlbaren Schutzengel. Sie sind auf klare Strassenmarkierungen, gute Sichtverhältnisse und saubere Sensoren angewiesen. Bei starkem Schneefall, tiefstehender Sonne, unklaren Baustellenmarkierungen oder komplexen Verkehrssituationen können sie versagen oder verspätet reagieren. Sich blind auf sie zu verlassen, führt zu reduzierter Aufmerksamkeit und ist eine der Hauptursachen für Unfälle mit teilautomatisierten Fahrzeugen. Der Fahrer bleibt immer zu 100 % in der Verantwortung.

Mythos 3: „Solange ich das Tempolimit einhalte, bin ich sicher.“

Das Einhalten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit ist eine rechtliche, aber keine physikalische Garantie für Sicherheit. Die Geschwindigkeit ist, wie die BFU betont, ein entscheidender Faktor für die Entstehung von schweren Verkehrsunfällen. Die korrekte Geschwindigkeit ist immer an die konkreten Bedingungen angepasst: Sicht, Strassenzustand, Verkehrsaufkommen und Witterung. In einer unübersichtlichen Kurve bei Nässe kann selbst das erlaubte Tempo 80 bereits viel zu schnell sein.

Mythos 4: „Im Auto sind wir vor allem sicher.“

Das Auto wird oft als schützende Kapsel wahrgenommen. Doch wie bereits erwähnt, ist jedes zweite Kind falsch gesichert. Auch Erwachsene machen Fehler: Ein Gurt, der über einer dicken Winterjacke getragen wird, verliert massiv an Wirkung. Gegenstände, die ungesichert im Innenraum liegen, werden bei einer Vollbremsung zu gefährlichen Geschossen. Die Sicherheit im Inneren des Fahrzeugs ist kein Selbstläufer, sondern erfordert ständige Disziplin und Sorgfalt.

Das Hinterfragen dieser fest verankerten Überzeugungen ist der erste Schritt zu einer echten, faktenbasierten Sicherheitskultur, die nicht auf Annahmen, sondern auf bewusstem Handeln beruht.

Wann sollten Sie Kindern welche Verkehrssicherheitskompetenzen vermitteln: Der Entwicklungsplan?

Die Fähigkeit, sich sicher im Strassenverkehr zu bewegen, ist keine angeborene Eigenschaft, sondern eine erlernte Kompetenz. Kinder durchlaufen dabei verschiedene Entwicklungsphasen, in denen sie unterschiedliche kognitive und motorische Fähigkeiten besitzen. Eine pauschale Verkehrserziehung greift daher zu kurz. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer altersgerechten Kompetenzvermittlung, die genau auf die jeweilige Entwicklungsstufe des Kindes zugeschnitten ist.

Die positiven Effekte einer konsequenten und altersgerechten Verkehrserziehung in der Schweiz sind statistisch eindrücklich. Wie BFU-Langzeitstudien zur Kindersicherheit belegen, sind die Zahlen schwer oder tödlich verletzter Kinder im Strassenverkehr drastisch gesunken: Verletzten sich 1980 noch über 1700 Kinder, sind es heute noch rund 10% davon. Dies zeigt, dass präventive Arbeit und Bildung einen enormen Unterschied machen.

Der folgende Entwicklungsplan bietet eine klare Struktur, welche Fähigkeiten in welchem Alter im Fokus stehen sollten:

  • Im Alter von 3-5 Jahren: Die Grundlagen als Fussgänger. In diesem Alter können Kinder Geschwindigkeiten und Distanzen noch nicht korrekt einschätzen. Das Training muss sich auf einfache, wiederholbare Regeln konzentrieren. Üben Sie das Anhalten am Strassenrand, das Schauen nach links und rechts und das Warten auf ein klares Signal. Das Training am Fussgängerstreifen sollte das Suchen von Blickkontakt mit dem Autofahrer und das konsequente Warten, bis das Fahrzeug vollständig stillsteht, beinhalten.
  • Im Alter von 6-10 Jahren: Der sichere Schulweg und das Velo. Mit dem Schuleintritt bewegen sich Kinder erstmals regelmässig alleine im Verkehr. Gestalten und üben Sie den sichersten, nicht zwingend den kürzesten, Schulweg gemeinsam. Dies ist auch die ideale Zeit, um das Kind auf die nationale Veloprüfung vorzubereiten, die in den meisten Schweizer Kantonen ein wichtiger Meilenstein ist.
  • Im Alter von 11-16 Jahren: ÖV und tote Winkel. Jugendliche nutzen vermehrt den öffentlichen Verkehr. Schulen Sie das Verständnis für die spezifischen Gefahren von Tram und Bus, insbesondere den toten Winkel, die langen Bremswege und die Gefahr, beim Ein- und Aussteigen unachtsam auf die Strasse zu treten.
  • Ab 14 Jahren: Neue Mobilitätsformen. Mit 14 Jahren dürfen Jugendliche in der Schweiz E-Trottinette fahren. Eine genaue Kenntnis der spezifischen Verkehrsregeln für diese Fahrzeuge ist unerlässlich. Dazu gehören die erlaubten Verkehrsflächen (Radwege), die Ausrüstungspflichten und die geltenden Vortrittsregeln.

Indem Sie Ihr Kind schrittweise und seinem Alter entsprechend an die Herausforderungen des Strassenverkehrs heranführen, bauen Sie ein solides Fundament an Kompetenzen und Selbstvertrauen auf, das ein Leben lang hält.

Die 3 unterschätzten Risiken autonomer Fahrsysteme, die Hersteller nicht betonen

Während die Automobilindustrie die Vorzüge autonomer Fahrsysteme preist, bleiben entscheidende Risiken oft im Kleingedruckten. Für Schweizer Autofahrer ist es wichtig, diese Risiken zu verstehen, da sie die Lücke zwischen technologischer Möglichkeit und alltäglicher Realität definieren. Stand heute, so bestätigt LAWNEWS, ist teilautonomes Fahren in der Schweiz nur nach Level 2 gesetzlich erlaubt. Das bedeutet, der Fahrer muss jederzeit die Kontrolle behalten und das System überwachen.

Das Cockpit eines Fahrzeugs während einer kritischen Systemübergabe bei Schneefall, was die Spannung an der Mensch-Maschine-Schnittstelle verdeutlicht.

Die drei grössten, oft unterschätzten Risiken sind:

  1. Der „Handoff“-Moment: Das grösste Risiko ist nicht der Systemfehler, sondern die Übergabe der Kontrolle vom System zurück an den Menschen (der „Handoff“). Wenn das System an seine Grenzen stösst (z.B. durch eine komplexe Baustelle oder plötzlichen Schneefall) und den Fahrer zur Übernahme auffordert, benötigt dieser mehrere Sekunden, um die Situation zu erfassen und adäquat zu reagieren. Diese Verzögerung kann kritisch sein. Die Fähigkeit des Fahrers, „passiv aufmerksam“ zu bleiben, ist eine enorme mentale Herausforderung und ein häufiger Unfallauslöser.
  2. Die rechtliche Grauzone: Wer haftet bei einem Unfall mit einem autonomen System? Der Fahrer, der Hersteller, der Software-Entwickler? Wie eine Analyse zeigt, steht die Rechtsprechung zu Unfällen mit autonomen Fahrzeugen in der Schweiz noch ganz am Anfang. Es gibt bisher keine publizierten BGE-Entscheide, die sich ausdrücklich mit der Haftung bei automatisierten Fahrsystemen befassen. Im Schadensfall droht ein langer und komplexer Rechtsstreit, dessen Ausgang völlig offen ist. Diese Unsicherheit ist ein erhebliches finanzielles und rechtliches Risiko für den Fahrzeughalter.
  3. „Edge Cases“ und die Schweizer Realität: Autonome Systeme werden mit riesigen Datenmengen trainiert, aber sie können nicht auf jede denkbare Situation vorbereitet sein. Diese unvorhergesehenen Ereignisse nennt man „Edge Cases“. Die spezifischen Bedingungen in der Schweiz – enge Bergstrassen, unvorhersehbare Wetterwechsel, komplexe städtische Verkehrssituationen mit Velos, Trams und Fussgängern – sind reich an solchen Edge Cases, für die die Systeme möglicherweise keine Lösung haben. Ein System, das in Kalifornien perfekt funktioniert, kann in einem verschneiten Appenzeller Dorf schnell an seine Grenzen stossen.

Die Zukunft der Mobilität ist vielversprechend, aber der Weg dorthin erfordert von den Fahrern eine kritische und informierte Haltung statt blinden Technikglaubens. Die Kompetenz des Menschen an der Mensch-Maschine-Schnittstelle wird auf absehbare Zeit der entscheidende Sicherheitsfaktor bleiben.

Wie schaffen Sie in 3 Jahren persönliche Resilienz gegen die 5 wahrscheinlichsten globalen Schocks?

In einer zunehmend vernetzten und volatilen Welt beschränkt sich Sicherheit nicht mehr nur auf das unmittelbare Verkehrsgeschehen. Globale Schocks wie Cyberangriffe, Lieferkettenunterbrüche oder Energieengpässe können direkte Auswirkungen auf unsere Mobilität haben. Der Aufbau persönlicher Resilienz bedeutet, die Abhängigkeit von einzelnen, fragilen Systemen zu reduzieren. Der BFU-Jahresbericht 2024 zeigt, dass die Strassen bereits heute unter Druck stehen: Seit zehn Jahren gab es in der Schweiz nicht mehr so viele schwere Strassenverkehrsunfälle wie 2023, bei denen sich 4096 Personen schwer verletzten. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, proaktiv für noch mehr Stabilität im eigenen System zu sorgen.

Ein 3-Jahres-Plan kann helfen, die Mobilität Ihrer Familie systematisch widerstandsfähiger zu machen:

  • Jahr 1: Diversifizierung der Mobilitätsoptionen. Der erste Schritt zur Resilienz ist die Reduzierung der Abhängigkeit vom privaten Auto. Die Anschaffung eines General- oder Halbtax-Abonnements für die ganze Familie schafft ein robustes Backup-System. Es stellt sicher, dass die Mobilität auch bei einem Fahrzeugausfall, bei Treibstoffknappheit oder in autofreien Innenstädten gewährleistet ist. Üben Sie die Nutzung des öffentlichen Verkehrs, damit sie im Ernstfall zur Routine wird.
  • Jahr 2: Proaktive Wartung und materielle Vorsorge. Warten Sie nicht, bis eine Warnleuchte aufleuchtet. Etablieren Sie einen proaktiven Wartungsplan für Ihr Fahrzeug, der über die vorgeschriebenen Serviceintervalle hinausgeht. Dies beinhaltet die regelmässige Kontrolle von Reifen, Bremsen und Flüssigkeiten. Eine kleine Vorratshaltung kritischer, aber einfach zu lagernder Verschleissteile oder Betriebsflüssigkeiten kann im Falle von Lieferengpässen entscheidend sein.
  • Jahr 3: Stärkung der digitalen Sicherheit. Moderne Fahrzeuge sind rollende Computer und damit anfällig für Cyberangriffe. Ein erfolgreicher Hack kann das Fahrzeug lahmlegen oder sicherheitskritische Funktionen manipulieren. Stärken Sie Ihre digitale Resilienz durch regelmässige Software-Updates des Fahrzeugherstellers und die Verwendung starker, einzigartiger Passwörter für alle mit dem Fahrzeug verbundenen Konten und Apps. Seien Sie skeptisch gegenüber unbekannten WLAN-Netzwerken oder Ladeadaptern.

Diese Massnahmen schützen nicht nur vor globalen Schocks, sondern erhöhen auch die alltägliche Sicherheit und Zuverlässigkeit Ihrer Mobilität. Sie wandeln ein passives Gefühl der Abhängigkeit in ein aktives Gefühl der Kontrolle und Vorbereitung um.

Das Wichtigste in Kürze

  • Trügerische Sicherheit ist der grösste Feind: Die meisten Unfälle passieren dort, wo man sich am sichersten fühlt, wie in Tempo-30-Zonen oder mit vermeintlich korrekt gesicherten Kindern.
  • System vor Einzelmassnahme: Ein ganzheitlicher Sicherheitsplan für die Familie, der regelmässige Checks, Schulungen und Routenplanung umfasst, ist wirksamer als jede isolierte Investition.
  • Kompetenz schlägt Technik: Menschliche Fähigkeiten, wie sie in Fahrsicherheitstrainings erlernt werden, bleiben der entscheidende Faktor, da Assistenzsysteme Grenzen haben und die Verantwortung immer beim Fahrer liegt.

Wie bereiten Sie sich als Schweizer Autofahrer auf autonome Fahrsysteme vor?

Die technologische Entwicklung hin zum autonomen Fahren schreitet voran, und auch die Gesetzgebung in der Schweiz passt sich an. Der Bundesrat hat die rechtlichen Grundlagen geschaffen, um automatisiertes Fahren unter bestimmten Bedingungen zu ermöglichen. Eine neue Verordnung, die ab 2025 greift, erlaubt es Fahrern, auf Autobahnen einen sogenannten Autobahnpiloten zu verwenden. Ist dieser aktiviert, dürfen sie die Hände vom Lenkrad nehmen und müssen den Verkehr nicht mehr dauernd überwachen. Dies markiert einen signifikanten Schritt in Richtung autonomes Fahren der Stufe 3.

Doch die Kluft zwischen rechtlicher Möglichkeit und tatsächlicher Verfügbarkeit ist gross. Viktor Wyler, Leiter der Flotte bei Mobility, bringt es auf den Punkt:

Trotz der neuen Gesetze sind in der Schweiz bislang keine Autos mit autonomem Fahren der Stufe 3 zugelassen. Hersteller haben noch keine Zulassungen beantragt.

– Viktor Wyler, Leiter Flotte bei Mobility

Diese Aussage verdeutlicht die aktuelle Situation: Wir befinden uns in einer Übergangsphase. Die Vorbereitung auf diese Zukunft bedeutet daher nicht, auf vollautonome Systeme zu warten, sondern die eigenen Kompetenzen im Umgang mit den heute verfügbaren teilautomatisierten Systemen (Stufe 2) zu perfektionieren. Dies beinhaltet das Verständnis für die Grenzen der Systeme, das bewusste Training der „passiven Aufmerksamkeit“ und die Fähigkeit zur blitzschnellen Übernahme der Kontrolle. Die beste Vorbereitung auf die Zukunft ist die Meisterschaft der Gegenwart.

Beginnen Sie noch heute damit, Ihr persönliches Verkehrssicherheitssystem aufzubauen. Denn der wirksamste Schutz für Ihre Familie sind nicht Algorithmen oder Vorschriften, sondern Ihre vorausschauende Kompetenz und Ihr aktives Handeln.

Geschrieben von Thomas Schneider, Thomas Schneider ist diplomierter Bauingenieur ETH mit 16-jähriger Erfahrung in der Planung und Umsetzung intelligenter Verkehrssysteme. Er arbeitet als leitender Projektingenieur bei einem führenden Schweizer Ingenieurbüro und ist spezialisiert auf Mobilitätskonzepte der Zukunft, autonome Fahrsysteme und Verkehrssicherheit.