Veröffentlicht am März 11, 2024

Der Schlüssel liegt nicht darin, künstlicher Intelligenz blind zu vertrauen oder sie abzulehnen, sondern darin, als Patient die Rolle eines aktiven Co-Piloten im Diagnoseprozess einzunehmen.

  • KI bietet zwar eine hohe Präzision bei der Mustererkennung, kann aber durch unausgewogene Trainingsdaten systematisch verzerrt sein (Bias).
  • Gezielte Fragen zur Datenbasis, zum Algorithmus und zum Prozess sind Ihr wichtigstes Werkzeug zur Validierung der Ergebnisse.

Empfehlung: Betrachten Sie die KI-Analyse als eine hochqualifizierte, datengestützte Zweitmeinung. Die finale Entscheidung und die Einordnung in Ihren persönlichen Lebenskontext bleiben jedoch eine gemeinsame Verantwortung von Ihnen und Ihrem behandelnden Arzt.

Die künstliche Intelligenz (KI) hält Einzug in die Schweizer Arztpraxen und Spitäler, und mit ihr eine Frage, die viele Patienten beschäftigt: Wie gehe ich mit einer Diagnose um, an der eine Maschine massgeblich beteiligt war? Die Schlagzeilen sind oft polarisierend. Einerseits versprechen sie eine Zukunft ohne Fehldiagnosen, andererseits warnen sie vor unkontrollierbaren Algorithmen. Die gängige Empfehlung, „sprechen Sie einfach mit Ihrem Arzt“, greift oft zu kurz, denn sie beantwortet nicht, *worüber* genau Sie sprechen sollten.

Doch was, wenn der wahre Weg weder in blindem Vertrauen noch in grundsätzlicher Ablehnung liegt, sondern in einer neuen Form der Partnerschaft? Der Schlüssel zu einer souveränen Entscheidung liegt darin, die Rolle eines informierten Co-Piloten an der Seite Ihres Arztes einzunehmen. Es geht darum, zu verstehen, wo die Stärken der KI liegen, aber auch, wo ihre systembedingten blinden Flecken sind. Diese Perspektive verwandelt Unsicherheit in aktive Teilhabe und schafft eine diagnostische Allianz zwischen Patient, Arzt und Technologie.

Dieser Artikel ist Ihr Leitfaden für diese neue Rolle. Wir beleuchten, warum KI in manchen Bereichen überlegen ist, wie Sie die richtigen Fragen stellen, um die Qualität einer KI-Diagnose zu prüfen, und wie Sie bei widersprüchlichen Ergebnissen eine fundierte Entscheidung treffen. Sie lernen die Risiken von Daten-Bias kennen und erhalten ein klares Raster, wann eine Zustimmung zur KI-Diagnostik sinnvoll ist – alles im Kontext des Schweizer Gesundheitssystems.

Der folgende Artikel bietet Ihnen eine strukturierte Übersicht über die wichtigsten Aspekte, die Sie als Patient kennen sollten. Das Inhaltsverzeichnis gibt Ihnen einen schnellen Überblick über die Themen, die wir behandeln, um Sie auf Ihrem Weg zum kompetenten Partner im Diagnoseprozess zu unterstützen.

Warum KI-Systeme bestimmte Krebsarten 95% präziser erkennen als erfahrene Radiologen?

Die beeindruckende Präzision von KI-Systemen in der Radiologie ist kein Zufall, sondern das Ergebnis ihrer Kernkompetenz: der übermenschlichen Mustererkennung. Während ein menschliches Auge ermüdet und feine Nuancen in Graustufen übersehen kann, analysiert ein Algorithmus Millionen von Pixeln mit unbestechlicher Konsistenz. Die KI ist darauf trainiert, winzigste Abweichungen von der Norm zu identifizieren, die auf ein frühes Tumorstadium hindeuten könnten – Muster, die für Menschen oft unsichtbar oder uneindeutig sind. Sie lernt aus riesigen Datensätzen von Tausenden von Scans und erkennt so komplexe Zusammenhänge, die über die Erfahrung eines einzelnen Expertenlebens hinausgehen.

Diese Fähigkeit hat in der Schweiz bereits zu beeindruckenden Ergebnissen geführt. Eine wegweisende Entwicklung ist ein KI-basierter Bluttest, an dem Forscher des Paul Scherrer Instituts (PSI) beteiligt waren. Eine Studie bestätigt, dass damit eine Erkennungsrate von 85% Genauigkeit bei der Unterscheidung zwischen gesunden und kranken Menschen erreicht wurde. Dies zeigt das Potenzial, Krebsdiagnosen schneller und weniger invasiv zu gestalten. Es geht nicht darum, den Radiologen zu ersetzen, sondern ihm ein extrem leistungsfähiges Werkzeug an die Hand zu geben, das seine Wahrnehmung schärft.

Führende Zentren wie das Inselspital Bern, das eine hohe Fallzahl bei komplexen Operationen wie Pankreasresektionen aufweist, integrieren solche Technologien bereits in ihre klinischen Abläufe. Die KI agiert hier als unermüdlicher Assistent, der potenziell verdächtige Bereiche markiert und dem Ärzteteam zur Überprüfung vorlegt. Die finale Diagnose bleibt eine menschliche Leistung, wird aber durch die datengestützte Präzision der KI auf ein neues Level gehoben. Diese Symbiose ermöglicht es, sich auf die komplexesten Fälle zu konzentrieren und die Diagnosegenauigkeit insgesamt zu steigern.

Wie stellen Sie als Patient die richtigen Fragen, wenn eine KI Ihre Diagnose erstellt hat?

Wenn Ihnen mitgeteilt wird, dass eine KI an Ihrer Diagnose beteiligt war, ist das der Startpunkt für einen wichtigen Dialog. Als Patient und Co-Pilot im Diagnoseprozess ist es Ihr Recht und Ihre Aufgabe, Transparenz einzufordern. Es geht nicht darum, die Technologie zu misstrauen, sondern darum, ihre Anwendung zu verstehen. Die richtigen Fragen helfen Ihnen und Ihrem Arzt, die Ergebnisse der KI korrekt einzuordnen und die sogenannte Kontextualisierungs-Lücke zu schliessen – also die Lücke zwischen dem, was die Daten zeigen, und dem, was es für Sie persönlich bedeutet.

Ihre Hände halten die Checkliste für das Gespräch, ein Symbol Ihrer aktiven Rolle im Prozess. Jede Frage ist ein Schritt zu mehr Klarheit und Sicherheit.

Nahaufnahme von Patientenhänden mit Checkliste während Arztgespräch

Beginnen Sie mit grundlegenden Fragen zum System selbst: „Auf welcher Datenbasis wurde diese KI trainiert? Repräsentiert dieser Datensatz die Schweizer Bevölkerung und spezifische Gruppen wie mein Alter oder Geschlecht?“ Diese Frage zielt auf das Herzstück der KI-Qualität und das Risiko von Verzerrungen ab. Fragen Sie weiter nach dem Prozess: „Ist dieses KI-System von Swissmedic für den klinischen Einsatz zertifiziert? Wird das Ergebnis der KI im Tumorboard von mehreren menschlichen Experten besprochen?“ Dies gibt Ihnen Aufschluss über die etablierten Sicherheits- und Qualitätsmechanismen in der Klinik.

Ihr Plan zur Auditierung des KI-Diagnoseprozesses

  1. Kontaktpunkte identifizieren: Listen Sie alle Kanäle auf, über die die KI-Diagnose kommuniziert wird (Arztgespräch, schriftlicher Bericht, Patientenportal).
  2. Informationen sammeln: Fragen Sie aktiv nach, welcher spezifische Algorithmus verwendet wurde und auf welcher Datenbasis er trainiert ist (z.B. lokale oder internationale Daten).
  3. Kohärenz prüfen: Vergleichen Sie das KI-Ergebnis mit Ihrem persönlichen Krankheitsgefühl, Ihrer Vorgeschichte und den bisherigen Befunden. Wo gibt es Übereinstimmungen, wo Widersprüche?
  4. Transparenz bewerten: Wurden Ihnen die Grenzen, die statistische Sicherheit (z.B. die „Trefferquote“) und die möglichen Fehlerquellen der KI proaktiv und verständlich erklärt?
  5. Integrationsplan erstellen: Definieren Sie konkrete Fragen für das nächste Arztgespräch, um offene Punkte zu klären und die „Kontextualisierungs-Lücke“ aktiv zu schliessen.

KI-Zweitmeinung oder menschlicher Experte: Wem sollten Sie bei widersprüchlichen Diagnosen vertrauen?

Die Situation ist herausfordernd: Die KI-Analyse deutet in eine Richtung, die Meinung eines menschlichen Experten in eine andere. Dies ist kein Zeichen von Versagen, sondern ein normaler Teil eines komplexen Diagnoseprozesses. Es ist der Moment, in dem die diagnostische Allianz ihre grösste Bedeutung entfaltet. Anstatt eine „Entweder-oder“-Entscheidung zu treffen, geht es darum, beide Ergebnisse als wertvolle Puzzleteile zu betrachten und die Gründe für die Diskrepanz zu verstehen.

Die KI bietet eine objektive, datenbasierte Analyse, frei von menschlichen Vorurteilen oder Tagesform. Der menschliche Experte hingegen bringt etwas Unersetzliches ein: die Fähigkeit zur Kontextualisierung. Er kennt Ihre Lebensumstände, Ihre Vorgeschichte und kann nonverbale Signale deuten. Wie Prof. Dr. med. Roland Wiest vom Inselspital Bern treffend bemerkt, liegt die letztendliche Verantwortung beim Menschen.

Künstliche Intelligenz soll Ärzte nicht ersetzen, sondern in Überlastungssituationen unterstützen. Sie soll sie in Überlastungssituationen unterstützen, indem die Prozesse, die von Maschinen genauer gelöst werden können, durch die Maschinen ausgeführt werden. Die Entscheidung darüber, wie diese Systeme Einfluss auf die ärztliche Entscheidung nehmen, liegt jedoch am Ende beim Arzt.

– Prof. Dr. med. Roland Wiest, Inselspital Bern, Interview SRF News

Der Schlüssel liegt darin, die Widersprüche als Anlass für eine tiefere Untersuchung zu nutzen. Die folgende Tabelle vergleicht die beiden Ansätze und hilft Ihnen, die jeweilige Rolle besser einzuordnen.

Vergleich: KI-Analyse vs. Menschliche Zweitmeinung in der Schweiz
Kriterium KI-gestützte Analyse Menschliche Zweitmeinung
Verfügbarkeit 24/7 sofort verfügbar Wartezeit 2-4 Wochen
Kostenübernahme KVG Teilweise (im Rahmen der Behandlung) Meist vollständig gedeckt
Berücksichtigung Lebensumstände Begrenzt auf verfügbare Daten Umfassende Anamnese möglich
Entscheidung im Tumorboard Als ein Puzzleteil von vielen Gleichwertige Expertenmeinung
Rechtliche Verantwortung Beim behandelnden Arzt Beim Zweitgutachter

Vertrauen Sie also nicht blind der einen oder anderen Seite. Vertrauen Sie dem Prozess. Bitten Sie Ihren Arzt, die Diskrepanz im Tumorboard zu diskutieren. Fragen Sie, ob die unterschiedlichen Ergebnisse auf verschiedene Interpretationen derselben Daten oder auf unterschiedliche Datengrundlagen zurückzuführen sind. Ihr Ziel als Co-Pilot ist es, sicherzustellen, dass alle verfügbaren Informationen genutzt werden, um das bestmögliche Gesamtbild zu erhalten.

Die versteckte Gefahr, dass KI-Diagnosen bei Frauen und älteren Menschen 20% ungenauer sind

Eine der grössten Herausforderungen bei der Anwendung von KI in der Medizin ist das Phänomen des „Bias“ oder der systematischen Verzerrung. Eine KI ist nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert wurde. Wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen in diesen Trainingsdatensätzen unterrepräsentiert sind – zum Beispiel Frauen, ältere Menschen oder ethnische Minderheiten – kann der Algorithmus lernen, deren spezifische Krankheitsbilder weniger gut zu erkennen. Dies kann dazu führen, dass Diagnosen für diese Gruppen ungenauer sind, nicht weil die Technologie an sich fehlerhaft ist, sondern weil ihre „Ausbildung“ lückenhaft war.

Dieses Problem ist real und wird von medizinischen Fachgesellschaften ernst genommen. So warnt auch die FMH (Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte) in ihrer Aufklärungsarbeit. In ihrer Broschüre weist die FMH explizit auf die Gefahr systematischer Verzerrung hin, wenn Patientengruppen in den Trainingsdaten ignoriert werden. Dies wird als „Dismissal Bias“ bezeichnet: Die Symptome einer Gruppe werden vom System quasi als weniger relevant „abgetan“, weil es sie seltener gesehen hat.

Eine vielfältige und repräsentative Datenbasis ist der Schlüssel zu einer fairen und genauen KI-Diagnostik für alle.

Abstrakte Darstellung verschiedener Bevölkerungsgruppen in der Schweiz

Die gute Nachricht ist, dass die Schweizer Forschungslandschaft dieses Problem erkannt hat und aktiv dagegen arbeitet. Initiativen wie das Swiss Personalized Health Network (SPHN) und die Digital Society Initiative (DSI) der Universität Zürich haben zum Ziel, eine repräsentative und qualitativ hochwertige Dateninfrastruktur für die Schweiz aufzubauen. Das Ziel ist es, KI-Systeme zu entwickeln, die auf diversifizierten Schweizer Datensätzen trainiert sind und somit eine gerechtere und präzisere Medizin für alle ermöglichen. Als Patient ist Ihre Frage „Wurde dieses System mit für die Schweiz repräsentativen Daten trainiert?“ daher nicht nur berechtigt, sondern ein wichtiger Beitrag zur Qualitätskontrolle.

Wann sollten Sie als Patient KI-gestützter Diagnostik zustimmen oder sie ablehnen?

Die Entscheidung, einer KI-gestützten Diagnostik zuzustimmen oder sie abzulehnen, ist eine persönliche Abwägung, die auf Transparenz und Vertrauen beruhen sollte. Es gibt keine pauschale richtige oder falsche Antwort. Stattdessen sollten Sie Ihre Entscheidung von den Rahmenbedingungen abhängig machen. Als informierter Co-Pilot können Sie anhand einiger klarer Kriterien beurteilen, ob der Prozess in Ihrem Sinne gestaltet ist.

Grundsätzlich gilt: Sie sollten zustimmen, wenn die KI als das eingesetzt wird, was sie sein sollte – ein hochqualifizierter Assistenz- oder Co-Pilot für Ihren Arzt in einem transparenten und regulierten Umfeld. Dies ist der Fall, wenn der Algorithmus in einem anerkannten Zentrum eingesetzt wird, ein klares Datenschutzkonzept gemäss dem neuen Schweizer Datenschutzgesetz (nDSG) vorliegt und Ihr Arzt die finale Entscheidungshoheit behält und dies auch klar kommuniziert. Eine Zertifizierung durch Swissmedic oder die Etablierung als klinischer Standard sind weitere starke Indikatoren für einen vertrauenswürdigen Prozess.

Vorsicht ist geboten und eine Ablehnung oder zumindest ein kritisches Nachfragen ist angebracht, wenn der Prozess intransparent erscheint. Wenn Ihre Fragen zur Datenbasis oder zum Algorithmus nicht oder nur ausweichend beantwortet werden oder wenn Sie den Eindruck gewinnen, dass die Verantwortung allein an die Maschine delegiert wird, sind das rote Flaggen. Ein Sonderfall sind Forschungsprojekte: Hier ist Ihre explizite schriftliche Zustimmung zwingend erforderlich, und das Projekt muss von einer kantonalen Ethikkommission geprüft worden sein. Sie haben jederzeit das Recht, eine Teilnahme abzulehnen, ohne dass dies die Qualität Ihrer Standardbehandlung beeinträchtigt.

Warum digitale Gesundheitstools die Diagnosepräzision um durchschnittlich 30% verbessern?

Die Verbesserung der Diagnosepräzision durch digitale Werkzeuge geht weit über die reine KI-Analyse von Bildern hinaus. Sie ist das Ergebnis eines vernetzten Ökosystems, das den richtigen Akteuren die richtigen Informationen zur richtigen Zeit zur Verfügung stellt. Der grösste Hebel liegt in der Überwindung von Informationssilos. In der traditionellen Medizin liegen Befunde oft verstreut bei Hausärzten, Fachärzten und Spitälern. Digitale Tools, allen voran das Elektronische Patientendossier (EPD) in der Schweiz, zielen darauf ab, diese Fragmentierung zu beenden.

Wenn ein Radiologe eine KI-Analyse eines Scans durchführt, kann er durch das EPD gleichzeitig auf relevante Vorbefunde, Laborwerte oder Medikamentenlisten zugreifen. Diese ganzheitliche Sicht auf den Patienten ermöglicht es, die Ergebnisse der KI besser zu kontextualisieren und ihre Präzision im Gesamtbild deutlich zu erhöhen. Es geht nicht nur darum, ein Muster zu erkennen, sondern zu verstehen, was dieses Muster im Kontext der individuellen Krankengeschichte des Patienten bedeutet. Die Vernetzung der Leistungserbringer ist hierbei zentral.

Wie ein Interview von PwC Schweiz mit Experten von Onlinedoctor unterstreicht, ist dieser Informationsaustausch zwischen Allgemeinärzten, Fachärzten und Spitälern für die zukünftige Versorgung entscheidend. Die Präzisionssteigerung von 30% ist also kein rein technologischer Effekt, sondern ein systemischer. Sie resultiert aus der Kombination von präziser Datenanalyse (durch KI) und einem umfassenden Datenzugriff (durch digitale Vernetzung wie das EPD). Für Patienten bedeutet dies eine sicherere und kohärentere Behandlung, da Entscheidungen auf einer breiteren und besser integrierten Informationsgrundlage getroffen werden.

Warum KI-gestützte Lernplattformen die Lerngeschwindigkeit um durchschnittlich 60% erhöhen?

Die fortschrittlichsten KI-Diagnosetools sind nur dann wertvoll, wenn die Menschen, die sie anwenden und deren Ergebnisse sie betreffen, über die nötige digitale Kompetenz verfügen. Dies betrifft sowohl das medizinische Fachpersonal als auch die Patienten selbst. KI-gestützte Lernplattformen spielen hier eine entscheidende Rolle, denn sie ermöglichen ein personalisiertes und effizientes Training, das weit über traditionelle Lehrmethoden hinausgeht. Für Ärzte bedeutet dies, dass sie sich schneller mit neuen Technologien vertraut machen und lernen können, die Ergebnisse von KI-Systemen kritisch zu interpretieren.

Für Patienten bedeutet eine höhere digitale Gesundheitskompetenz, dass sie in der Lage sind, ihre Rolle als Co-Pilot im Diagnoseprozess effektiv auszufüllen. Sie lernen, die richtigen Fragen zu stellen, ihre Gesundheitsdaten (z. B. im EPD) zu verwalten und die Informationen, die sie von Ärzten und digitalen Tools erhalten, besser einzuordnen. Dieses Empowerment ist ein zentrales Ziel von Schweizer Forschungsinitiativen.

Die Digital Society Initiative (DSI) der Universität Zürich ist ein hervorragendes Beispiel für diesen Ansatz. Sie betont, dass jetzt gehandelt werden muss, um die digitale Kompetenz in der Bevölkerung und im Gesundheitspersonal zu verankern. In einem Artikel der UZH heisst es: „Wenn Bevölkerung und Gesundheitspersonal zukünftig digital kompetent sein sollen, müssen wir uns jetzt darum kümmern.“ Die Initiative trägt mit Angeboten wie dem ‚Studium Digitale‘ bereits dazu bei, diese Kompetenzen universitätsweit zu vermitteln. Diese Investition in Bildung ist die Grundlage dafür, dass die technologischen Fortschritte auch wirklich zum Wohle der Patienten genutzt werden können.

Das Wichtigste in Kürze

  • KI-Präzision ist kein Ersatz für ärztliche Erfahrung, sondern eine leistungsstarke Ergänzung im Rahmen einer diagnostischen Allianz.
  • Systematische Verzerrungen (Bias) durch unausgewogene Trainingsdaten sind eine reale Gefahr; fragen Sie immer nach der Datenbasis.
  • In der Schweiz liegt die rechtliche Verantwortung für eine Diagnose immer beim behandelnden Arzt, niemals bei der KI-Software.

Wie nutzen Sie Telemedizin optimal ohne Qualitätseinbussen bei Ihrer Behandlung?

Telemedizin ist ein weiteres Feld, in dem die Digitalisierung die Gesundheitsversorgung in der Schweiz verändert. Genau wie bei der KI-Diagnostik geht es auch hier darum, die Technologie als Werkzeug zu verstehen und bewusst zu nutzen, um die Behandlungsqualität zu sichern. Telemedizin ist ideal für Routinekontrollen, die Besprechung von Befunden oder die Ersteinschätzung von nicht-akuten Problemen. Sie spart Zeit und erleichtert den Zugang zu Spezialisten, insbesondere in ländlichen Gebieten.

Um Qualitätseinbussen zu vermeiden, ist eine gute Vorbereitung entscheidend. Sorgen Sie für eine stabile Internetverbindung und einen ruhigen, gut beleuchteten Raum. Machen Sie bei sichtbaren Symptomen (z.B. Hautausschlägen) vorab hochauflösende Fotos bei Tageslicht. Notieren Sie sich Ihre Fragen und Anliegen, genau wie bei einem persönlichen Arztbesuch. Seien Sie sich aber auch der Grenzen bewusst: Telemedizin kann eine körperliche Untersuchung, bei der Abtasten, Abhören oder andere physische Tests notwendig sind, nicht ersetzen. Ein guter Telemediziner wird diese Grenzen transparent kommunizieren und Sie bei Bedarf an eine Praxis oder ein Spital für eine physische Konsultation verweisen.

Die Akzeptanz und Professionalisierung der Telemedizin in der Schweiz schreitet schnell voran. Plattformen wie OnlineDoctor haben sich als verlässliche Schnittstelle etabliert. Einem Bericht zufolge befunden rund 150 Schweizer Hautärzte täglich Anfragen über OnlineDoctor, und über 300 Apotheken bieten den Service als erste Anlaufstelle an. Dies zeigt, dass Telemedizin, wenn sie richtig in die Versorgungspfade integriert wird, eine effiziente und qualitativ hochstehende Ergänzung zur traditionellen Medizin darstellt. Der Schlüssel zum Erfolg liegt auch hier in der informierten Nutzung durch den Patienten.

Die Kompetenzen, die Sie im Umgang mit KI-Diagnosen entwickeln, sind direkt auf die optimale Nutzung von Telemedizin-Angeboten übertragbar.

Häufig gestellte Fragen zu KI-Diagnosen in der Schweiz

Wer ist bei einer KI-Fehldiagnose nach Schweizer Recht haftbar?

Gemäss Schweizer Rechtsprechung und der Position der FMH bleibt die Haftung und die strafrechtliche Verantwortlichkeit vollumfänglich beim behandelnden Arzt. Die KI wird als Hilfsmittel betrachtet, ähnlich wie ein Laborgerät. Der Arzt muss die Ergebnisse der KI überprüfen, plausibilisieren und in den Gesamtkontext des Patienten einordnen, bevor er eine darauf basierende Entscheidung trifft.

Muss ich als Patient einer KI-Diagnose zustimmen?

Das kommt auf den Kontext an. Wenn KI-Systeme als etablierter klinischer Standard im Spital eingesetzt werden (z.B. zur Analyse von Röntgenbildern), ist in der Regel keine separate Zustimmung erforderlich. Handelt es sich jedoch um den Einsatz im Rahmen eines Forschungsprojekts, ist Ihre explizite, schriftliche Einwilligung zwingend notwendig. In jedem Fall haben Sie das Recht, Fragen zu stellen und eine KI-gestützte Methode abzulehnen, wenn Sie sich damit unwohl fühlen.

Wie kann ich sicherstellen, dass die KI mit Schweizer Daten trainiert wurde?

Der direkteste Weg ist, Ihren behandelnden Arzt oder die Klinik direkt danach zu fragen. Erkundigen Sie sich, ob der verwendete Algorithmus mit einem für die Schweizer Bevölkerung repräsentativen Datensatz validiert wurde und ob er eine Zertifizierung, beispielsweise von Swissmedic, besitzt. Transparente Anbieter und Kliniken werden Ihnen diese Informationen zur Verfügung stellen können.

Geschrieben von Michael Hofmann, Michael Hofmann ist Facharzt für Innere Medizin mit 14-jähriger Praxiserfahrung und zusätzlicher Spezialisierung im Bereich Digital Health. Er leitet die Abteilung für Telemedizin eines grossen Schweizer Universitätsspitals und berät Health-Tech-Startups bei der Entwicklung patientenzentrierter Lösungen.